Kurbelstick … aus dem Textil Lexikon
Kurbelstickmaschine, auch Tamburiermaschine genannt, gehört ihrer ganzen Anwendung nach zu den Zierstich–Nähmaschinen, da sie nicht wie die eigentliche Nähmaschine zum Zusammennähen von Stoffen, sondern zur Verzierung der Oberfläche derselben dient. Als solche hat sie höchste Bedeutung für das große Gebiet der Kleider–, Trikotagen–, Handschuh–, Strumpfwaren–, Wäsche–, Weißwaren–, Schuhwaren–, Gardinenfabrikation usw. erlangt.
Der Grundstich, den die Kurbelstickmaschine macht, ist der Kettenstich, und zwar mittels Hakennadel in Verbindung mit einem Fadeneinleger (s. Kettenstich–Nähmaschine).
Abb. 1. Kettenstichnaht mit auf der Stoffoberseite liegender Kette.
Ihren Namen hat die Maschine von einer im allgemeinen unterhalb der Stoffplatte angeordneten Handkurbel, mittels deren über entsprechende Übertragungsmittel ein von oben auf den Stoff wirkender Stoffschieber, der außer einer auf und ab gehenden gleichzeitig eine waagerecht hin und her gehende Bewegung ausführt, nach allen Richtungen vorschiebend von Hand gedreht werden kann. Der Stoffschieberfuß umgibt die Hakennadel ringförmig und kann zum Besticken feiner Stoffe, die durch die üblichen scharfen Zähne leiden würden, mit einem Gummiring versehen sein. Zum Niederhalten des Stoffes dient ein die Nadel einschließender, rohrartiger Stoffdrücker, auch Kanönchen genannt. Selbstverständlich müssen, da der Stoffschieber sich nach allen Seiten bewegt, auch Nadel und Fadenleger oder Greifer durch die Handkurbel jederzeit so um die Nadelachse gedreht werden, daß sie stets in der Nahtrichtung arbeiten. Es können somit Nähte in jeder beliebigen Krümmung und Richtung ohne unmittelbare Mitwirkung der Hand hergestellt werden. Die Hauptwelle der Maschine ist zweiteilig, so daß der Triebwellenteil mit der Schnurscheibe und der Antriebswellenteil gekuppelt und entkuppelt werden können, was durch Herunterziehen bzw. Loslassen des Kurbelgriffes erfolgt. Hierdurch kann beim Nähen kurzer Biegungen und Ecken die Maschine sofort zum Stillstand gebracht werden. Das zu nähende Muster wird auf den Stoff aufschabloniert oder aufgedruckt; geübte Arbeiter nähen es ohne Vorlage.
Um das Verwendungsgebiet der Kurbelstickmaschine zu erweitern, ist sie im Laufe der Zeit mit einer großen Zahl von Hilfsvorrichtungen ausgestattet worden.
Bei üblicher Arbeitsweise stellt die Kurbelstickmaschine Kettenstichnähte mit auf der Oberseite des Stoffes liegender Kette her (Abb. 1). Durch fehlerhaftes Arbeiten der Maschine entstand der sog. Moos– oder Plüschstich (Abb. 2). Bei seiner Herstellung wirft die Nadel infolge falscher Stellung die durch den Stoff gezogenen Fadenschleifen beim Niedergang ab. Durch eine Schneidvorrichtung läßt sich jede Schleife bei ihrer Bildung köpfen, wodurch die Stickerei ein plüschartiges Aussehen erhält.
Abb. 2. Moosstich und Plüschstich.
Durch Aufrauhen oder Aufkratzen der Fadenschleifen einer Moosstickerei stellt man Pelzimitationen her. Werden bei der Erzeugung einer Kettenstichnaht die einzelnen Fadenschleifen sämtlich oder mit Unterbrechung von einem Zierfaden umschlungen, so entstehen schnurartige Nähte. Führt man der Nadel oberhalb des Stoffes oder unter diesem einen Litzenbesatz (Soutache) in Gestalt einer flachen oder runden Litze so zu, daß die Nadel sie durchsticht, so erhält man sog. Soutachearbeiten. Wird hierbei die Litze in ihrer Mitte durchstochen, so erscheint sie flach liegend; wird sie aber an der Kante durchstochen, so erscheint sie aufgerichtet. Kommt die Flachlitze als Band zur Verwendung und wird dieses beim Aufnähen selbsttätig gefaltet, so ergeben sich rüschenartige Gebilde.
Soll der Litzenbesatz nicht durchnäht werden, so wird er durch den die Kettenstichnaht bildenden Faden selbst durch Umschlingung festgelegt (Abb. 3) oder durch einen dritten Faden an die Kettenstichnaht angeschlungen (Abb. 4). Beide Arbeitsweisen benutzt man besonders auch beim Aufnähen von Perlfäden. Wird der Besatz so zugeführt, daß er die Kettenstichnaht kreuzt, so entsteht eine festonartige Ziernaht (Abb. 5). Werden bei der Herstellung der einzelnen Ziernähte gleichzeitig besonders ausgeschnittene Stoffstücke durch die Ziernaht aufgenäht, so ergeben sich App1ikationsarbeiten. Sie kommen auch dadurch zustande, daß die Maschine selbsttätig gewisse Stoffteile eines aufzunähenden Stoffes mittels einer Schere ausschneidet.
Abb. 3. Aufnähen einer Litze durch Umschlingen mit dem Nähfaden. |
Abb. 4. Aufnähen einer Litze mittels Bindefadens. |
Neben der Kettenstich-Kurbelstickmaschine hat man auch Doppelsteppstich–Kurbelstickmaschinen gebaut.
Abb. 5. Festonartige Ziernaht.
Weiter ist man übergegangen von der Einnadel– zu den Zwei– und Mehrnadelmaschinen (Abb. 6). Diese erzeugen parallele Zierstichnähte und ermöglichen das Aufnähen breiter Litzen durch Parallelnähte.
Kommt ein Umschlingungsfaden zur Anwendung, so zieht dieser bei Bildung ausreichend langer Fadenschleifen diese zusammen oder ergibt eine festonartige Ziernaht.
Abb. 6. Kettenstich-Kurbelstickmaschine für Ein- und Zweinadel arbeiten
(Lintz & Eckhardt, Berlin).
Wird hierbei gleichzeitig ein zwischen den Nadeln einlaufender Füllfaden mit eingewickelt, so erhält die ganze Naht ein reliefartiges Aussehen. Festonartige Ziernähte entstehen auch dann, wenn von den parallelen Ziernähten ein Zierfaden auf den Stoff bzw. auf die Ober– und Unterseite des Stoffes in zickzackförmigem Bogen festgelegt wird.
Bei einer weiteren Maschine wird der Nadel außer ihrer auf und ab gehenden Bewegung gleichzeitig noch eine Seitwärtsbewegung erteilt. Es sind dieses die Kurbelstickmaschinen mit springender Nadel oder Zickzack–Kurbelstickmaschinen, die sich besonders zum Aufnähen von Litzenbesatz eignen, weil die Nähstiche diesen übergreifen, aber nicht durchstechen. Zur Anwendung kommt hierbei der Doppelsteppstich. Die springende Bewegung der Nadel kann ganz aufgehoben oder in ihrer Größe von der Kurbel aus auch verändert werden.
Zu erwähnen ist ferner noch die Wechselstichmaschine, die unten zwei Rollenträger für verschiedenfarbiges Garn hat und wechselweise um jeden Stich einmal das eine und hierauf das andere Garn aufnäht.
Der Greifer hat hierfür zwei Haken. Bei dem einen Niedergang der Nadel wird der eine Faden von dem einen Haken des Greifers mitgenommen und in die Hakennadel gelegt, das andere Mal wird der zweite Faden in die Nadel gelegt. Mittels der Handkurbel läßt sich auch der Garnrollenhalter je nach der Nahtrichtung drehen.
Abb. 7. … durch ein Musterband gesteuert. | Abb. 8. … durch eine Kurventrommel gesteuert. |
Die durch die Hand des Nähenden gesteuerte Kurbel kann auch durch ein Musterband (Abb. 7), eine Kurventrommel (Abb. 8) oder eine Kurvenscheibe ersetzt werden. Durch Auswechseln der Mustervorrichtung kann die Stofführung und damit die Gestaltung der Ziernaht geändert werden. Ist der Kurvengang durchlaufen, so ist ein abgeschlossenes Muster gestickt, und der Arbeitsgang beginnt sofort aufs neue. Um nach Fertigstellung eines Musters eine Wiederholung des Rapports zu vermeiden, kann auch durch eine Ausrückvorrichtung nach einmaligem Ablauf des Kurvenganges die Hauptwelle selbsttätig vom Antrieb entkuppelt werden.
Das Arbeiten der Maschine bleibt dann unterbrochen, bis ein Handhebel das Wiedereinrücken herbeiführt.
Quelle:
Textil–Lexikon, Handwörterbuch der gesamten Textilkunde, Professor Dipl.–Ing. Hugo Glafey,
Deutsche Verlags–Anstalt Stuttgart und Berlin, 1937 (S. 468 – 470)