Kurbelstickmaschine … aus der DNZ vom 10.06.1901
DNZ Nr. 6 vom 10. Juni 1901 / 26 Jahrgang.
Neue Kurbelstickmaschinen
der Firma Schirmer, Blau & Co. in Berlin.
Mit dem Bau von Kurbelstickmaschinen befassen sich nur wenige Fabriken; zu den hervorragenderen Firmen, die diese Spezial–Zierstichnähmaschinen bauen, welche für Konfektionsarbeiten und in der Gardinenfabrikation von großer Bedeutung sind, gehört die Firma Schirmer, Blau & Co, Berlin.
Im Jahre 1888 habe ich die verschiedenen Maschinen, welche die Firma dazumal baute, eingehend besprochen und will diese hier nur der Reihe nach aufzählen, um mich dann der Besprechung solcher Maschinen zuzuwenden, welche die Firma seitdem auf den Markt gebracht.hat.
Die Bonnaz–Kurbelstickmaschine, um die es sich hier handelt, bildet den bekannten Kettenstich mittels einer Hakennadel, welche den ihr mittels eines Greifers unterhalb der Nähplatte zugeführten Faden an die Oberfläche des Stoffes zieht und hier als Kettenstich niederlegt. Das Eigentümliche der Bonnaz–Konstruktion beruht weiter darauf, dass der von oben allseitig wirkende Stoffschieber entsprechend den Windungen der Ziernaht von einer unterhalb der Näh–Platte befindlichen Handkurbel geleitet, wird, und durch diese mit Hilfe geeigneter Mechanismen gleichzeitig die Nadel und den Greifer in die den Windungen entsprechenden Stellungen versetzt. Die dafür notwendigen Anordnungen will ich als bekannt. voraussetzen.
Mit der gewöhnlichen Kurbelstickmaschine, die niedrig– und hocharmig gebaut wird, kann man jedwede Verzierung in Kettenstich, Moosstich und Pelz–Imitation herstellen; für das Aufnähen von Soutache sowie für die Erzeugung einer schnurähnlichen Naht bedarf es besonderer Einrichtungen an der Maschine, die durch Abstellung auch unbenutzt bleiben können, und dann arbeitet die Maschine wie eine gewöhnliche Kurbelstickmaschine. Der Moosstich, welcher dadurch gebildet wird, dass auf der Oberfläche die Schleifen als nicht miteinander verbundene Schlingen liegen bleiben, entsteht dadurch, dass man den Greifer so zur Nadel verstellt, dass diese die Schlingen zu frühzeitig fallen lässt und dadurch eine Bindung der Schlingen vermeidet. Für die Pelzimitation wird die Maschine auf Moosstich eingestellt und die losen Schlingen ausgebürstet.
Bei der Kurbelstickmaschine für das Aufnähen von Soutache ist ein Apparat erforderlich, auf dem die Litze aufgewickelt ist und welcher mit der Nadel im Kreise herumgeführt wird. Um die Litze flach oder hochstehend einzunähen, dazu sind besonders gestaltete Führungsfüßchen nötig.
Die Erzeugung einer schnurähnlichen Naht geschieht mit Hilfe eines besonderen, stärkeren Fadens mit welchem der Kettenfaden umwickelt wird; dies kann bei jedem oder nach jedem zweiten Stich geschehen. Wird verlangt, dass eine Maschine entweder soutachieren oder Schnurstich nähen soll, so führt das zur Konstruktion der kombinierten Soutachier– und Schnurstich–Kurbelstickmaschine. In diesem Fall ist der Wickelfaden für den Kettenfaden unten am Kopf der Maschine anzuordnen.
Die bisher angeführten Maschinen haben von der Firma Schirmer, Blau & Co. folgende Bezeichnungen erhalten:
Nr. 1 | Kurbelstickmaschine. für Kettenstich, Moosstich und Pelzimitation; |
Nr. 1a | hocharmige Kurbelstickmaschine für Kettenstich, Moosstich und Pelzimitation; |
Nr. 2 | Kurbelstickmaschine mit Soutacheapparat; |
Nr. 2a | hocharmige Kurbelstickmaschine mit Soutacheapparat; |
Nr. 3 | hocharmige Kurbelstickmaschine mit oben an dem Kopf angebrachtem Schnurapparat; |
Nr. 4 | Kurbelstickmaschine mit unten an dem Kopf angebrachtem Schnurapparat; |
Nr. 5 | Kurbelstickmaschine mit kombiniertem Soutachier– und Schnurapparat. |
Neuerdings bringt die Firma Schirmer, Blau & Co.. eine Universal–Kurbelstickmaschine auf den Markt, welche die Neuerung aufweist, dass der unter dem Kopf angebrachte Schnurapparat von der Handkurbel betätigt wird und sich nicht allein, nach älterer Art nur durch die Hauptwelle angetrieben, einfach um die Nadel herumdreht, sondern sich zu dieser auch entsprechend den Windungen der Ziernaht, d.h. nach der jeweiligen Transportrichtung, genau einstellt, so dass also bei dieser neuen Maschine der Wickelapparat mit der Bewegung der Kurbel und demnach auch mit der Nadel korrespondiert und somit eine nach allen Richtungen hin gleichmässige Schnurnaht erzeugt werden muss.
Kurbelstickmaschine Nr. 6A mit Universal Wickelapparat. |
DRGM Nr. 90895 Dreinadel–Kurbelstick–Maschine für ein, zwei oder drei Reihen Kettenstich. |
Der angestrebte Zweck wird durch die Einschaltung eines ein– und ausrückbaren Differential–Rädergetriebes zwischen dem Wickelapparat und der Hauptwelle erreicht, das in der beigegebenen Abbildung deutlich sichtbar ist. Wenn es auch schon Einrichtungen, welche den angegebenen Zweck ebenfalls befolgen, gegeben hat, so ist die der in Rede stehenden Firma doch einfacher als die bisher bekannt gewordenen.
Das hier angewendete Differential–Rädervorgelege unterliegt gleichzeitig der Beeinflussung durch die Hauptwelle und die Handkurbel.
Betrachten wir zunächst die Bewegungsübertragung der letzteren auf den Wickelapparat, d.h. also dessen Stellungsänderung zur Transportrichtung. Die Kurbel überträgt ihre Bewegung auf die den Stoffschieber beeinflussende Welle W bekanntlich durch zwei unter der Nähplatte befindliche, rechtwinklig sich schneidende horizontale Wellen und eine vertikal stehende Welle in Verbindung mit vier Kegelrädergetrieben. Auf den Wickel–Apparat wird die Bewegung der Welle W übertragen durch ein neben dem Buchstaben W befindliches Kegelräderpaar, eine senkrecht hinuntergehende kleine Welle und ein unten darauf sitzendes Stirnrad, welches in das große links daneben liegende lose laufende Stirnrad eingreift. Dieses sitzt nämlich lose auf der verlängerten Nabe des zunächst über ihm liegenden kleineren Triebes, auf der auch das unten sitzende Kegelrad aufgeschraubt ist, durch welches die Welle betätigt wird, welche den Wickelapparat antreibt. Indem nun das große, lose Rad zur Drehung veranlasst wird, nimmt es das auf ihm lose montierte Vorgelege mit und zwingt dieses, wenn die Hauptwelle nicht umläuft, um das obere zentrale, dann ebenfalls feststehende, also ruhende Trieb zu laufen. Durch den Umlauf um das letztere wird aber das lose Vorgelege in Umdrehung versetzt und bewirkt dadurch auch den Antrieb des schon erwähnten zentralen Triebes mit der verlängerten Nabe, auf welcher unten das ebenfalls schon erwähnte Kegelrad steckt. Man sieht also hiernach, wie durch Vermittlung des lose laufenden Vorgeleges die Bewegung der Kurbel auf den Wickelapparat stattfindet.
Der Antrieb des Wickelapparats von der Hauptwelle geschieht mit Hilfe des durch Schraube m ein– und ausrückbaren Stirnrades n, das in die darunter liegende, als Stirn– und Kegelrad verzahnte, lose auf Welle W steckende Büchse eingreift. Das Kegelrad treibt nun die kleine senkrechte Welle, auf welcher zunächst unter dem oberen Kegelrad das schon erwähnte, festsitzende Trieb steckt und um welches das Vorgelege läuft. Wird dem letzteren Triebe, jetzt durch die arbeitende Maschine Bewegung erteilt, so muss diese auch dem durch die Kurbel beeinflussten Vorgelege mitgeteilt werden. Dieses empfängt somit zwei Bewegungsimpulse einmal von der Kurbel, einmal von der Maschine, die es algebraisch addiert auf die Welle, welche den Wickelapparat antreibt, überträgt. Besonders wichtig ist die durch die Kurbel beeinflusste Bewegung, wenn es sich um die Herstellung von Schnurstich mit Einlage von Strahlenstich oder um das Aufnähen von Perlschnüren sowie Gimpen handelt. Das Patent ist für die beschriebene Einrichtung angemeldet worden.
Eine andere, neue Maschine der Firma Schirmer, Blau & Co. ist die Zwei– und Dreinadel–Kurbelstickmaschine, welche zur Herstellung von zwei oder drei parallel nebeneinander laufenden Kettennähten dient. Ebenfalls kann auch nach Entfernung von zwei Nadelstangen eine Kettennaht erzielt werden. Es kann mit der Maschine auch Sontache oder Band mit zwei an den Kanten liegenden Nähten aufgenäht werden.
Außerdem kann Soutache oder Band mit nur einer Naht entweder in der Mitte oder an einer Kante, je nachdem die Nadelstange einsetzt, aufgenäht werden.
Es handelt sich bei dieser Maschine um die Bewegung eines bzw. zweier Fänger, welche sich zwischen die Nadeln legen, um zu bewirken, dass der Greifer seinen Faden in jede Nadel legt und dass dieser so lange von den Fängern gehalten wird, bis die Schleifen an die Oberfläche gezogen worden sind.
Zu diesem Zweck ist auf der hin– und hergezogenen und drehbaren Welle, die den Greifer einstellt, eine genutete Muffe aufgesteckt, welche einen zweiarmigen Hebel bewegt, dessen freies Ende mit einer Rolle in der Kurvenbahn eines einarmigen Hebels läuft. Das freie Ende des letzteren bewegt eine Muffe auf der Greiferwelle auf und ab, die mittels Zugstange einen rund um die Greiferwelle laufenden Hebel bewegt, welcher die kleinen zwischen die Nadeln sich legenden Fänger trägt. Die Bewegung der letzteren wird hauptsächlich durch die Gestalt der Kurvenbahn auf dem einarmigen Hebel bedingt. Die Maschine setzt zur guten Führung der Nadeln eine besondere Stichplatte voraus.
Für Konfektionsarbeiten ist von besonderer Wichtigkeit auch die Musterstechmaschine, welche von der Firma Schirmer, Blau & Co. ebenfalls gebaut wird.
Dieselbe hat den Zweck, aufgezeichnete Muster, nach denen Kleidungsstücke verziert werden sollen, mittels einer Nadel nach den Linien des Musters zu durchstechen. Das in dieser Weise perforierte d.h. durchstochene Muster wird dann auf das Kleidungsstück gelegt und mittels eines mit Kreide angewischten Wischers auf das letztere durchgerieben.
Die Konstruktion der Maschine ist eine sehr einfache. Mittels eines Pedals wird ein großes Schwungrad in Bewegung gesetzt, welches mittels Schnur und drei Paar Rollen die kleine Welle in Umdrehung versetzt, auf der das die Nadel auf– und abbewegende Herz sitzt. Damit die Nadelstange auf das Muster aufgesetzt, das heißt herunter gezogen werden kann, ist der Bewegungsmechanismus der Nadel in einer pendelnden Stange untergebracht, die gelenkig an einem auf– und ab beweglichen, an der Säule der Maschine sitzenden Hebel aufgehängt ist.
Ich behalte mir vor, noch andere von der Firma Schirmer, Blau & Co. gebaute Maschinen demnächst dem Leserkreis dieser Zeitung vorzuführen.
Ingenieur, H. W. Lind