Walter Hunt
… Die Amerikaner waren es, welche die Nähmaschine auch erfanden und später vielseitig ausbildeten. Schon 1834 sehen wir in New York eine Nähmaschine von sich reden machen, nämlich die von Walter Hunt. Er war einer jener vielseitigen Erfinder, denen die amerikanische Industrie manches zu verdanken hat. Von seinen 63 Lebensjahren, die er erreicht hat, waren 40 ganz und gar der Technik gewidmet. Bei einer bedeutenden Erfindungsgabe war Hunt auch im Besitz einiger mechanischer Kenntnisse und eines gesunden Blickes. Er pflegte seine Inventionen sowohl theoretisch als praktisch erst durchzuarbeiten und auszuprobieren, bevor er damit in die Oeffentlichkeit trat. Sein erstes Patent erhielt er 1826 im Verein mit W. Hoskins von Martinsburg auf eine Maschine zum Spinnen des Flachses und Hanfes, und nicht mit Unrecht kann man behaupten, daß dieselbe der Lösung des Problems sehr nahe kam. Dieser Erfindung folgten bis 1850 eine ganze Reihe anderer, Weckuhr, Zwirnmaschine, Messerschärfer und andere Hausgeräte, verschiedene Globus, Gartensägen, Sprungfedern, Kleidungsgegenstände, Eisbecher, Tintenfässer u.a. Unter diesen Patenten befindet sich auch eins vom Jahre 1834 auf eine Nähmaschine. Hunt hatte von der ängstlichen Nachahmung des Handstiches abgesehen, wie sie bei allen Versuchen für Herstellung von Nähmaschinen vorher und nachher zu entdecken ist, sondern hatte seine Idee an die Operation des Webens angeknüpft. Wir finden daher in seiner Maschine ein Schiffchen und es ist nicht zu verkennen, daß Hunt hierdurch die Grundlage zur Howe'schen Nähmaschine gegeben hat. Nach länger fortgesetzten Versuchen, die nicht günstige Resultate lieferten, stellte Hunt seine Nähmaschine bei Seite, weil er etwas Unvollkommenes, von dessen sicherer Leistung er selbst nicht überzeugt war, der Welt nicht übergeben wollte. So feierte denn diese erste amerikanische Nähmaschine. Singer gebrauchte sie später in seinem Prozess gegen Howe, um Howe einen Teil der Priorität seiner Erfindung zu entreißen. Hunt hatte bei allen seinen Erfindungen doch kein Vermögen erworben, sondern arbeitete in einer kleinen Werkstätte in einer Gasse des Abingdon Square selbst an Ausführungen seiner Erfindungen und der darauf erfolgenden Bestellungen. Erst die Verbindung mit Singer setzte ihn in Besitz einiger Mittel und von da ab erfreute er sich besserer Lebensumstände. Im Jahre 1856 erfand er die Papierkragen, die in Amerika merkwürdig viel Gebrauch fanden, und später beschäftigten ihn noch allerlei Ideen für Lampen, Schuhe u.s.w. Seine Biografen reden Ihm nach, daß sein Enthusiasmus für Erfindungen nur übertroffen wurde, durch die Bereitwilligkeit, mit welcher er sich für Freunde aufopferte. …
Quelle:
Grothe, Hermann: Bilder und Studien zur Geschichte der Industrie und des Maschinenwesens,
Verlag von Julius Springer, Berlin, 1870 - (Text größtenteils in der Ausdrucksweise belassen.)